Von der Nationalspielerin zur Unternehmerin: Viktoria Schnaderbeck über Karrierewechsel und Frauenfußball

viktoria schnaderbeck

Foto: Christopher Kelemen

Über Jahre prägte Viktoria Schnaderbeck als Nationalspielerin und Kapitänin des österreichischen Fußballteams den Frauenfußball. Im Interview spricht sie über die prägenden Höhen und Tiefen ihrer Karriere, den Wechsel ins Berufsleben und die Herausforderungen als Vorbild. Außerdem teilt sie ihre Perspektiven zu den wirtschaftlichen Chancen des Frauenfußballs und von Diversität. Aktuell ist sie als Speakerin und Beraterin tätig.

Viktoria, du blickst auf eine beeindruckende Karriere im Fußball zurück. Was hat dich auf und abseits des Platzes am meisten geprägt?

Rückblickend haben mich die extremen Höhen und Tiefen am meisten geprägt. Auf der einen Seite die unvergesslichen Momente wie vor 80.000 Fans im Old Trafford zu spielen, die erste Meisterschaft und Pokalsiege mit Bayern München zu feiern oder im RheinEnergieStadion vor 20.000 bis 30.000 Zuschauern aufzulaufen. Dieses Adrenalin, die Leistung, die Titel – das waren die Höhen. Auf der anderen Seite standen die Verletzungen: Acht Knieoperationen am rechten Knie, darunter ein Kreuzbandriss mit 17 Jahren, bei dem mir der Arzt sagte, dass meine Profikarriere wohl vorbei sei. Diese Rückschläge brachten mich oft an die Grenze der Verzweiflung. Die Narben, die sie hinterlassen haben, sind nicht nur körperlich, sondern auch mental. Diese beiden Extreme haben mich wohl am stärksten geprägt.

Du hast für Top-Vereine wie Bayern München und Arsenal gespielt. Wie unterscheiden sich die Fußballkulturen in Deutschland und England?

Die größten Unterschiede lagen vor allem in der Fankultur. Die englischen Fans habe ich als sehr loyal erlebt: Wenn jemand die Männer von Arsenal supportet hat, dann auch die Frauen. Das geht oft über Generationen – der Opa war Aston Villa-Fan, das Enkelkind wird es auch. Das hat mich beeindruckt, genauso wie die Bedeutung des Fußballs in England. Man spürt, dass es das Mutterland des Fußballs ist.

In Deutschland haben mich dagegen die großen Stadien fasziniert. Ich habe zwar nicht oft selbst in ihnen gespielt, war aber als Zuschauerin beeindruckt. In England sind die Stadien oft minimalistisch und älter – ein deutlicher Unterschied.

Sportlich ist es bei den Frauen ähnlich wie bei den Männern: In Deutschland ist es sehr taktisch geprägt, auf hohem Niveau. In England hingegen ist es risikoreicher, temporeicher, direkter – mit vielen Toren. Das macht es für Zuschauer und Spielerinnen spannend.

Im Frauenfußball war England für mich das Nonplusultra: höhere Zuschauerzahlen, mehr Sponsoren, bessere Medienpräsenz, eigene Campusse, gleichberechtigte Bedingungen. Es war faszinierend, das als letztes Kapitel meiner Karriere mitzuerleben. Ich habe angefangen, als Frauenfußball in Österreich belächelt wurde, und aufgehört, als sich die Wertschätzung komplett gewendet hatte. Das war ein schöner Abschluss.

Nach deiner aktiven Karriere hast du eine neue berufliche Phase eingeschlagen. Wie hast du diesen Wechsel wahrgenommen und welche Herausforderungen gab es dabei für dich?

Aufgrund meiner Verletzungen hatte ich den Vorteil, mich früh mit der Frage zu beschäftigen: Wer bin ich, wenn ich nicht mehr Fußball spiele? Was macht mich neben der Fußballerin Viktoria Schnaderbeck aus? Diese Auseinandersetzung hat mir geholfen, die Realität des Fußball-Lebens zu akzeptieren – dass es irgendwann endet.

Ich habe mich darauf vorbereitet: eine Berufsausbildung, ein Studium bis zum Master, erste Erfahrungen als Keynote-Speakerin. Daher empfand ich den Wechsel aus dem Profifußball als relativ sanft. Nach drei Monaten Reisen, um Abstand zu gewinnen, hatte ich direkt neue Projekte, die mir Freude bereiteten und eine neue Rolle gaben.

Die größte Herausforderung war mein Gesundheitszustand: Ich musste fit werden, nicht mehr für den Fußball, sondern für den Alltag. Nach acht Knieoperationen war die Motivation, wieder Routinen aufzubauen, gering. Doch ich musste diese Routinen schaffen, um mein Knie heilen zu lassen.

Trotzdem bin ich dankbar, dass mir der Übergang insgesamt leicht fiel – viel leichter, als ich es mir je hätte träumen lassen.

viktoria schnaderbeck österreich frauenfußball
Foto: ÖFB

Als Kapitänin des österreichischen Nationalteams warst du eine wichtige Identifikationsfigur. Wie hast du diese Rolle wahrgenommen und wie wichtig war sie dir?

Ich habe die Rolle der Kapitänin immer mit sehr viel Stolz und Ehre wahrgenommen. Schon mit 21 wollte ich Verantwortung übernehmen, und das hat sich nie geändert. Für mich bedeutete diese Rolle, ein Vorbild zu sein, voranzugehen und auch schwierige Themen anzusprechen – sei es mit dem Trainer oder im Team.

Ich wollte nicht nur auf dem Platz, sondern auch außerhalb etwas bewirken, auch gesellschaftliche Dinge in meinen Möglichkeiten vorantreiben. Es war mir wichtig, diese Herausforderung anzunehmen, und ich habe diese Rolle immer gern übernommen.

Es gab aber auch Momente, in denen es schwer war – besonders 2017, nach einer Verletzung. Vor der Europameisterschaft hätte ich meinen Fokus gern nur auf mich gerichtet, aber als Kapitänin war ich oft gefragt, ob in TV- oder Printformaten. Damals habe ich mir gewünscht, einfach eine von vielen zu sein.

Fußball ist nicht nur körperlich, sondern auch mental fordernd. Wie bist du mit Druck und Rückschlägen umgegangen?

Der Umgang mit Druck und Rückschlägen war für mich ganz unterschiedlich. Mit Druck konnte ich auf dem Fußballplatz umgehen, indem ich reagiert und meine Leistung gezeigt habe. Rückschläge, vor allem Verletzungen, konnte ich dagegen nie auf dem Platz regeln. Stattdessen musste ich in der Reha Strategien entwickeln, wie ich motiviert bleibe, bei mir selbst bleibe und mich nicht vergleiche.

Es gab in meinen Verletzungszeiten Momente des Zweifels, der Frustration und des Tiefpunktes, in denen ich kaum noch Hoffnung hatte, dass es weitergeht. Diese Zeiten waren mental genauso herausfordernd wie körperlich.

Was mir dabei immer geholfen hat, war ein gutes Umfeld – Freunde, Familie und ein medizinisches Team, das ich mir ganz bewusst und gezielt aufgebaut habe. Dieses Umfeld hat mir bis heute Kraft gegeben. Ein weiterer wichtiger Aspekt war, wirklich bei mir selbst zu bleiben und mich nicht ständig mit anderen zu vergleichen.

Manchmal hieß das auch, Abstand zu gewinnen. Besonders in externen Rehazentren habe ich gemerkt, dass ich besser regenerieren und neue Motivation schöpfen konnte.

Netzwerke und Mentoring spielen eine große Rolle im Sport. Wie unterstützt du junge Spielerinnen?

Ich habe immer großen Wert darauf gelegt, ein starkes Erfolgsteam um mich zu haben – sei es mein privates Umfeld, das medizinische Team oder mein berufliches Umfeld. Es gab auch immer Spielerinnen, zu denen ich ein enges Vertrauensverhältnis hatte.

Ich glaube fest daran, dass es entscheidend ist, Menschen an seiner Seite zu haben, die als Coach, Mentor oder Sparring-Partner agieren können. Mittlerweile finde ich mich oft selbst in dieser Rolle wieder, da mich junge Spielerinnen nach Tipps fragen. Das macht mir Freude und erfüllt mich, weil ich meine Erfahrungen gerne weitergebe.

Gerade in schwierigen Situationen fühlt man sich oft allein. Es hilft unglaublich, jemanden zu haben, der genau weiß, wie es einem geht, der zuhört, Verständnis zeigt und hilfreiche Tipps geben kann. Dieser Perspektivwechsel hat mir immer geholfen, und ich sehe, dass er auch anderen hilft.

Das Schönste für mich ist, wenn jemand sagt: ‚Du hast mir damit geholfen‘ oder ‚Es tut so gut, mit dir zu sprechen.‘ Das gibt mir Sinn und bestärkt mich darin, weiterhin zu unterstützen und meine Erfahrungen weiterzugeben.



Zum Abschluss: Gibt es ein Lebensmotto oder einen Rat, der dich während deiner Karriere besonders begleitet und motiviert hat?

Ja, absolut, es gibt ein Motto, das mich bis heute begleitet. Ich habe es während meiner Zeit im Landesausbildungszentrum Weiz (LAZ Weiz) gelernt, das damals als das beste in der Steiermark und in ganz Österreich galt. Ich war das erste und einzige Mädchen bei den Jungs und musste mich zwei Jahre lang durchsetzen – sowohl sportlich als auch mental.

Es war eine prägende Zeit. Gerade in der Pubertät war es nicht leicht, nur mit Jungs zu trainieren, mit Mobbing umzugehen und sportlich an meine Grenzen zu gehen, um mit den besten Burschen mithalten zu können. Doch das Motto dort lautete: ‚Gib jeden Tag dein Bestes, aber dein bester Tag kommt erst.‘

Dieses Motto hat mich in all meinen Stationen begleitet: von der Jugendspielerin über die Stammspielerin bis hin zur Führungsspielerin und Topspielerin. Es hat mich angetrieben, mich immer weiterzuentwickeln, besser zu werden und das Beste aus mir herauszuholen – und das gilt auch heute noch, nach meiner aktiven Karriere.

Ich glaube fest daran, dass man jeden Tag sein Bestes geben muss, um irgendwann die beste Version seiner selbst zu werden. Genau das hat mich immer motiviert, und es treibt mich auch jetzt noch an.

Vielen Dank für das Gespräch!


Bitte aktiviere JavaScript in deinem Browser, um dieses Formular fertigzustellen.

Anzeige

Weitere Themen