Tim Wieling, aktuell Profi-Handballspieler beim TuS N-Lübbecke und Gründer des erfolgreichen Modelabels Nahtstelle, hat eine Geschichte zu erzählen, die die Schnittstellen zwischen Sport und Mode neu definiert. In einem exklusiven Interview mit dem SportWirtschaft Journal gewährt Tim uns Einblicke, wie er es schafft, seine Leidenschaft für den Handball und sein unternehmerisches Geschick in Einklang zu bringen.
SportWirtschaft Journal: Tim, als Profi-Handballspieler hast du bereits einen vollen Terminkalender. Was hat dich dazu motiviert, zusätzlich ein Modelabel zu gründen?
Tim Wieling: Ich glaube, das Gründergen hat schon immer in mir geschlummert. Früher habe ich oft versucht, eigene Spiele zu entwickeln oder ein Buch zu schreiben. Die Idee für Nahtstelle kam, als ich in Köln Handball spielte. Wir Spieler waren damals mit unserem Ausstatter sehr unzufrieden – weder der Style noch die Schnitte und Designs passten zu uns. Uns fiel auf, dass wir Handballer im Vergleich zu anderen Sportarten keine coolen Marken hatten, die unseren Sport angemessen repräsentierten. Aus dieser Unzufriedenheit heraus dachten wir: Warum nicht selbst eine Handball Modemarke gründen? Wer könnte besser wissen, wie wir uns und unsere Lieblingssportart repräsentieren können, als wir Spieler selbst?
Kannst du uns mehr über den Moment erzählen, in dem die Idee für dein Modelabel entstand? Gab es einen speziellen Auslöser?
Es gab keinen speziellen Auslöser, aber einen besonderen Tag. Ich saß mit meinem damaligen Mitspieler in einem Café in Köln und erzählte ihm von meiner Unzufriedenheit und der Idee, einfach selbst eine Marke zu gründen. Als er merkte, wie ernst ich es meinte, setzten wir uns in seinem WG-Zimmer zusammen und diskutierten über einen möglichen Namen und das grobe Konzept. Wir wollten einen Namen, der einen Bezug zum Handball, aber auch zur Mode hatte. Tatsächlich war der erste Name, der uns einfiel, schon der richtige: ‘Nahtstelle’.
Im Handball geht es darum, entweder in die Nahtstelle zu stoßen oder diese in der Verteidigung zu schließen, um ein Tor zu verhindern. In der Modebranche verbindet die Nahtstelle zwei Teile eines Kleidungsstücks miteinander – das erschien uns direkt sehr passend und einleuchtend.
Das Team des Fashion Start-Ups Nahtstelle | Foto: Nahtstelle
Wie hast du die erste Kollektion entwickelt? Welche Rolle spielen dabei deine Erfahrungen als Handballspieler?
Wir merkten schnell, wie kompliziert es ist, eine eigene Modekollektion zu entwickeln, vor allem ohne Erfahrung oder Kontakte in der Branche. Daher suchten wir Unterstützung an der FH Bielefeld und fanden einen Designer und Produktentwickler mit Berufserfahrung in der Textilbranche. Für uns war klar, dass wir die Textilien für unsere Kollektionen von Grund auf selbst entwickeln wollten, um unserer Vorstellung von neuer Handballmode gerecht zu werden. Wir hatten eine klare Vision, und er half uns dabei, sie umzusetzen. Es half uns natürlich sehr, dass wir als Handballer wussten, wie die Produkte geschnitten sein sollten und welchen Stil wir verfolgen wollten.
Welche Herausforderungen musstest du bei der Gründung deines Modelabels überwinden und wie hast du sie gemeistert?
Es gab von Anfang an viele Herausforderungen und Momente, in denen wir kurz davor waren aufzugeben. Ich persönlich hatte zuvor noch nie gegründet und wenig Berufserfahrung in der freien Wirtschaft gesammelt. Meine Mitgründer hatten zu dem Zeitpunkt schon mehr Erfahrung. Wir merkten schnell, wie viele Hindernisse es bei der Gründung und dem Aufbau einer eigenen Modemarke gibt. Wir mussten die gesamte Ware vorfinanzieren, es gab hohe Mindestbestellmengen, wir brauchten von Anfang an ein eigenes Lager und Logistikpartner, eine professionelle Website, hochwertige Fotoshootings und natürlich die nötige Bekanntheit innerhalb unserer Zielgruppe. Daher mussten wir zum Start fast unser gesamtes Eigenkapital aufbrauchen und zeitnah einen ersten Kredit für die nächste Kollektion aufnehmen, ohne die Garantie, dass wir die Ware rechtzeitig verkaufen würden.
Es war ein weiter Weg, bis wir eine gewisse Bekanntheit innerhalb der Handball-Zielgruppe erlangt hatten. Mit der Zeit steigerten wir uns von Kollektion zu Kollektion und fanden unseren Stil, der Nahtstelle heute ausmacht.
Die Herausforderung bestand darin, dass wir von Anfang an einen hohen Qualitätsanspruch hatten, großen Wert auf nachhaltige Produktion in Europa legten und trotzdem bezahlbare und faire Preise für unsere Zielgruppe anbieten wollten.
Wir sind wirklich stolz darauf, dass wir diese Herausforderungen von Anfang an angenommen und gemeistert haben.
Wie definierst du den Kern deiner Marke und welche Werte möchtest du mit deinen Produkten vermitteln?
Mit Nahtstelle haben wir eine nachhaltige Handballmodemarke in Bielefeld gegründet und entwickeln Kollektionen für Sportler, Vereine und Unternehmen. Dabei stehen wir für hochwertige Produkte, die nachhaltig und fair in Europa produziert werden. Wir entwickeln Modekollektionen, die die Identifikation mit den Werten der Sportart, des Vereins oder des Unternehmens fördern und dabei sehr minimalistisch und elegant bleiben.
Mit unserem Konzept sorgen wir dafür, dass sich der Verein, die Sportler oder die Mitarbeiter eines Unternehmens modisch einheitlich präsentieren können und dabei nachhaltige, hochwertig produzierte Produkte tragen. Wir entwickeln für jeden Kunden eine eigene Kollektion, die individuell auf seine Werte und Bedürfnisse zugeschnitten ist. Damit unterscheiden wir uns stark von herkömmlichen Anbietern.
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Auf welche Weise nutzt du dein Netzwerk im Handball für das Marketing deines Labels?
Von Anfang an haben wir die Kollektionen gemeinsam mit unserem Handballnetzwerk entwickelt und eine Community aufgebaut, die mit uns die nächsten Farben, Schnitte und Designs entscheidet. Natürlich hat es uns geholfen, dass ich auf ein großes Netzwerk in der deutschen Handballwelt zurückgreifen konnte, das uns gerne unterstützte. Das hat uns relativ schnell zu einer Bekanntheit innerhalb der Handballnische verholfen.
Bis heute haben wir den größten Teil unserer Produkte über Weiterempfehlung verkauft. Ohne unser Konzept und die klare Positionierung im Handball wären wir nur eine Modemarke von vielen gewesen und hätten es sehr wahrscheinlich nicht so weit geschafft. Daher sind wir der Handballcommunity sehr dankbar.
Social Media spielt eine große Rolle im Marketing. Wie gehst du vor, um deine Marke in den sozialen Medien zu präsentieren und zu bewerben?
Für uns war Social Media der Hebel, um Bekanntheit über unser persönliches Netzwerk hinaus innerhalb der Handballnische zu erlangen. Instagram ist unser Hauptkanal, um mit der Community zu interagieren und den Prozess und die Menschen hinter den Produkten zu zeigen. Eine authentische Ansprache ist uns dabei sehr wichtig.
Kannst du einen Einblick geben, wie du Feedback von Kunden und Fans in die Weiterentwicklung deiner Marke einfließen lässt?
Jedes Produkt haben wir gemeinsam mit unserer Community entwickelt. Hier arbeiten wir mit Abstimmungen über Instagram und bieten auch einen Austausch innerhalb einer größeren WhatsApp-Gruppe an, der deutlich detaillierter ist als auf Instagram möglich.
Das Feedback unserer Kunden und Fans ist essenziell für die kontinuierliche Verbesserung und Entwicklung unserer Produkte.
Wir nehmen ihre Rückmeldungen sehr ernst und versuchen, sie direkt in die Produktentwicklung und das Design einzubinden.
Dieser direkte Dialog ermöglicht es uns, schnell auf Trends und Kundenwünsche zu reagieren und unsere Produkte stetig zu verbessern.
Was sind die nächsten Schritte für dein Label? Gibt es Pläne für neue Produkte oder Kooperationen?
In den nächsten Wochen und Monaten liegt unser Fokus darauf, unsere bestehenden Prozesse weiter zu optimieren und zu vereinfachen. Noch in diesem Jahr werden wir unser neues Kollektionskonzept für Vereine und Unternehmen launchen. Nach einer langen Entwicklungsphase freuen wir uns darauf, diesen neuen Prozess in unser bestehendes Angebot zu integrieren.
Parallel arbeiten wir weiter daran, unsere gesamte Wertschöpfungskette nachhaltiger zu gestalten und Möglichkeiten zu finden, soziale und ökologische Projekte dauerhaft zu unterstützen. Unser Ziel ist es, nicht nur in der Handballwelt eine bekannte Marke zu sein, sondern auch einen positiven Beitrag für die Gesellschaft und Umwelt zu leisten.