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Jennifer Kettemann war über acht Jahre lang Geschäftsführerin der Rhein-Neckar Löwen und zuvor in leitender Position bei SAP tätig. Zuletzt engagierte sie sich im Präsidium der Handball-Bundesliga, wo sie wirtschaftliches Denken und strategischen Gestaltungswillen einbrachte. Aktuell stellt sie die Weichen für ein neues Kapitel: Beim kommenden DHB-Bundestag kandidiert sie für einen Posten im Präsidium des Deutschen Handballbundes. Im Interview spricht sie über ihre Rolle beim Medienrechte-Deal mit Dyn Media, die Bedeutung zentraler Digitalstrategien, wirtschaftlicher Stabilität und klarer Führungsstrukturen. Zudem macht sie deutlich, warum der Profihandball mehr Frauen in Verantwortung braucht und was sie jungen Talenten rät.
Frau Kettemann, Sie haben viele Jahre in der Wirtschaft gearbeitet, unter anderem bei SAP. Was hat Sie damals motiviert, den Schritt in den Profisport zu wagen?
Der Wechsel in den Profisport war für mich damals ein großer Schritt, über den ich im Vorfeld intensiv nachgedacht habe. Und es war definitiv ein Sprung ins kalte Wasser, aber einer, den ich bis heute keine Sekunde bereut habe. Der Sport bietet ein hoch emotionales Umfeld, das viele Chancen, aber auch Herausforderungen mit sich bringt. Man arbeitet meist mit engagierten, motivierten und leistungsorientierten Menschen zusammen, die alle für den Erfolg einer gemeinsamen Sache brennen. Es gibt oft flache Hierarchien, viel Gestaltungsspielraum und die Möglichkeit, wirklich etwas zu bewegen. Gleichzeitig können gerade diese Emotionen auch zu impulsiven oder irrationalen Entscheidungen führen. Das sehe ich durchaus als eine der besonderen Herausforderungen im Sportbusiness. Unterm Strich überwiegen für mich aber klar die positiven Seiten. Der Sport vereint Leidenschaft, Dynamik und Gestaltungsfreiheit. Das macht ihn für mich nach wie vor zu einem ganz besonderen Arbeitsumfeld, das in aller Regel positive Impulse in unserer Gesellschaft setzt. Die Kraft des Sports sollten wir noch mehr nutzen.
Acht Jahre lang haben Sie mit den Rhein-Neckar Löwen einen Handball-Bundesligisten geprägt. Jetzt gestalten Sie den Profi-Handball aus der Liga-Perspektive mit. Wie sehr verändert sich dadurch der Blick auf das Tagesgeschäft der Clubs?
Ich habe mich innerhalb der Liga als Mitglied des Präsidiums der Handball-Bundesliga engagiert. Ein Ehrenamt, in dem ich die Interessen aller Clubs der beiden Profiligen der Männer vertrete. Dabei hatte ich das Tagesgeschäft der Vereine im Blick und mir half sicher meine vorherige Tätigkeit. Es macht mir große Freude, die Liga bei strategischen Fragestellungen zu unterstützen, mit dem Ziel, sowohl den Handball als Sportart weiterzuentwickeln als auch konkrete Mehrwerte für die Clubs zu schaffen.
Ein Beispiel dafür waren die Verhandlung rund um die Medienrechtevergabe und der daraus resultierende Abschluss mit Dyn Media zu Beginn meiner Amtszeit. Das war und ist bis heute ein echter Meilenstein für den Handball. Und nach zwei Jahren nach wie vor eine große interne wie externe Herausforderung. Es galt, alle Clubs für diesen gemeinsamen Weg zu gewinnen und gleichzeitig die bestmögliche mediale Partnerschaft für unseren Sport sicherzustellen. Das war zeitweise ein schwieriger Spagat, zumal es Dyn als Plattform zu dieser Zeit noch nicht gab. Allerdings waren das Konzept und die Vision, die Dyn-Gründer Christian Seifert vor über zwei Jahren mit uns teilte, so überzeugend, dass wir uns unter anderem gegen eine Fortsetzung einer Medienpartnerschaft mit Sky entschieden haben. Der Erfolg mit Dyn gibt uns Recht, das Risiko, den eingefahrenen Weg zu verlassen, hat sich gelohnt. Mit Dyn hat der Handball einen enormen Auftrieb erlebt. Bei der Reichweite der Livespiele, aber auch in Social Media. Wir erreichen mit attraktiven Formaten sehr viel mehr jüngere Menschen.
Zuletzt lag mein Schwerpunkt im HBL-Präsidium auf dem Thema Digitalisierung: Wie sieht eine zukunftsfähige Digitalstrategie für die Liga aus? Welche Themengebiete sollten besser durch uns zentral gesteuert werden, damit die Clubs durch die HBL in ihrer Weiterentwicklung bestmöglich unterstützt werden können? Hier liegt viel Potenzial, das es zu heben gilt.

Welche wirtschaftlichen Stellschrauben müssen aus Ihrer Sicht dringend angepasst werden, damit die HBL auch in fünf Jahren noch europäische Strahlkraft hat, sowohl sportlich als auch strukturell?
Die Handball-Bundesliga ist sportlich und wirtschaftlich das Maß der Dinge im internationalen Handball. In keiner Liga kommen mehr Fans in die Hallen. Gerade erst hat die HBL mit 1,69 Millionen Zuschauer einen neuen Besucherrekord aufgestellt. Diese Pole Position wollen wir weiter besetzen. Wenn die HBL in fünf oder mehr Jahren noch diese einzigartige europäische Strahlkraft haben soll – sportlich wie wirtschaftlich –, müssen wir nachhaltig wachsen. Das bedeutet: nicht durch kurzfristige Impulse oder Einzelinvestoren, sondern mit breiter wirtschaftlicher Basis, starken Partnerschaften und struktureller Weiterentwicklung. Unsere Stärke liegt in der Vielfalt und Verwurzelung der Clubs in ihren Regionen. Diese Basis müssen wir weiter ausbauen und gleichzeitig strategische Partner und Global Player für uns gewinnen.
Dazu gehören vor allem drei Dinge: Erstens, eine deutlich höhere mediale Sichtbarkeit, national wie international, als Grundlage für Reichweitenwachstum und neue Erlösquellen. Zweitens, strategische Partnerschaften mit Medien, Sponsoren und Technologieunternehmen, die langfristig angelegt sind und echten Mehrwert schaffen. Und drittens, eine konsequente Professionalisierung in den Clubs, insbesondere in den Bereichen Digitalisierung, Vermarktung und Fanbindung. Hier haben wir in den letzten Jahren wichtige Weichen gestellt, aber ich sehe noch Luft nach oben.
Gleichzeitig müssen wir auch auf Clubebene Rahmenbedingungen schaffen, die weiter wirtschaftliche Stabilität fördern. Zum Beispiel durch gezielte Unterstützung bei Infrastruktur- und Innovationsprojekten. Der Wettbewerb in Europa wird nicht geringer, das finanzielle Niveau vieler Ligen und damit der Wettbewerb, insbesondere mit einzelnen Clubs im Ausland, steigt. Wenn wir sportlich mithalten wollen, müssen wir wirtschaftlich gemeinsam stärker werden.
Die Rolle der Frau im professionellen Sportmanagement entwickelt sich positiv. Wie erleben Sie diesen Wandel persönlich und was würden Sie jungen Frauen raten, die eine vergleichbare Karriere anstreben?
Ich nehme den Wandel sehr bewusst wahr und er ist wichtig und überfällig. Es gibt heute deutlich mehr Sichtbarkeit für Frauen im Sportmanagement als noch vor einigen Jahren. Strukturen öffnen sich, Diversität wird zunehmend als Stärke erkannt. Nicht nur nach außen, sondern auch in der internen Kultur von Unternehmen und Organisationen. Trotzdem sind wir noch lange nicht da, wo wir sein sollten. In vielen Gremien, Führungsrunden oder Entscheidungsprozessen sind Frauen weiterhin unterrepräsentiert.
Persönlich habe ich nie den Anspruch gehabt, als Frau besonders und anders als ein Mann wahrgenommen zu werden. Ich wollte und will durch Kompetenz, Leistung und Haltung überzeugen. Aber ich weiß auch, wie wichtig Vorbilder sind. Deshalb sehe ich es heute als Teil meiner Verantwortung, andere Frauen zu ermutigen und zu unterstützen.
Mein Rat an jüngere Frauen: Seid mutig, stellt euch der Verantwortung, seid klar in euren Zielen und lasst euch nicht von sogenannten klassischen Rollenbildern begrenzen. Der Sport braucht Vielfalt, auch in der Führung. Und je mehr Frauen diesen Weg gehen, desto selbstverständlicher wird es für die nächsten Generationen.
Wenn wir Sie bitten würden, die Handball-Bundesliga als Marke in drei prägnanten Sätzen zu positionieren, was würden Sie sagen?
Die Handball-Bundesliga steht seit ihrer Gründung im Jahr 2003 für eine einzigartige Nähe zu den Fans, bei der jeden Spieltag aufs Neue Emotionen und Gemeinschaft erlebbar werden. Das macht unsere Bundesliga so besonders. Auf dem Spielfeld zeigt sie hochkarätigen, packenden Spitzensport, der Leidenschaft, Teamgeist und Leistung auf höchstem Niveau vereint. „Stärkste Liga der Welt“ ist mehr als ein Slogan, es ist gelebte Realität.
Vielen Dank für das Gespräch.
