Robert Zitzmann (Jung von Matt SPORTS) über Kreativität, Awards und Sport als Markenplattform

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Robert Zitzmann, Managing Director & Partner Jung von Matt SPORTS | Foto: Jung von Matt SPORTS

Jung von Matt SPORTS wurde als „Agentur des Jahres“ in Deutschland ausgezeichnet – ein Meilenstein für kreative Exzellenz im Sportmarketing. Managing Director Robert Zitzmann erklärt im Interview, warum diese Auszeichnung weit über den Werbemarkt hinaus Bedeutung hat, wie relevante Inhalte echte Fanbindung schaffen und weshalb der Sport seine Rolle als wirtschaftliche Plattform neu definieren sollte. Konkrete Strategien, ehrliche Learnings und ein klarer Aufruf an die Branche machen dieses Gespräch besonders lesenswert.


Robert, Jung von Matt SPORTS wurde im März 2025 von der W&V als Deutschlands „Agentur des Jahres“ ausgezeichnet – weit über den Sport hinaus – herzlichen Glückwunsch! Was bedeutet dieser Award für euch und worauf bist du besonders stolz?

Dieser Award bedeutet uns tatsächlich sehr viel. In der Agentur- und Kreativbranche außerhalb des Sportbusiness ist es üblich, dass Markenarbeiten und Cases bei Award-Shows öffentlich geteilt und gewürdigt werden. Das hat nicht nur für prämierte Marken und deren CMO‘s einen Wert, sondern eben auch für die Menschen in Agenturen, die mit ihrer leidenschaftlichen Arbeit nachweislich etwas Besonderes geleistet haben. Und zuletzt schaffen es Awards der höchsten Kategorie, wie der Effie, auch den gemeinsamen Branchendialog zu fördern, was messbare, erfolgreiche Markenarbeit heute und morgen wirklich ausmacht.

Um jedoch als beste Agentur in ganz Deutschland ausgezeichnet zu werden braucht es weit mehr als nur ein paar gute Arbeiten für einzelne Marken. Diese Auszeichnung steht für die Gesamtleistung, Wirksamkeit und Entwicklung einer Agentur und ist demnach für uns wie eine olympische Goldmedaille. Diese Auszeichnung war nie das Ziel unserer Arbeit, aber sie steht für vieles wofür wir in den letzten 4 Jahren seit Covid gearbeitet haben: kreative Exzellenz für Marken im Sport, internationale und gesellschaftlicher Relevanz unserer Arbeit und ein Führungsteam der nächsten Generation. Für die Bewertung der W&V (Anm. d. Red. „Werben & Verkaufen“) ging es dabei v.a. um die Kriterien Wachstum, Rentabilität, Kundenportfolio, Agenturstrategie und Effektivität unserer Arbeiten.

Besonders stolz sind wir als Agentur dabei auf den Faktor Zeit. Zeit, die wir als unabhängige JvM-Agentur hatten, um uns und die Marken für die wir arbeiten, zu entwickeln. Denn Zeit ist ein Kapital, das oft unterschätzt und vernachlässigt wird, sowohl in der Wirtschaft als auch im Sport. Die UEFA Euro 2024 war dabei für uns als Agentur das sportliche Highlight, auf das wir lange hintrainiert haben, und auf deren Plattform wir für viele tolle Marken tolle Briefings umsetzen durften – vom adidas Jersey-Launch bis zum Bigger Draw für die Hansestadt Hamburg.

Was ich in der Rückbetrachtung zur Auszeichnung der W&V jedoch erstaunlich finde: in der Sport-Bubble hat das niemanden interessiert. Dabei ist die Auszeichnung einer Sportagentur auf dieser deutschlandweiten Agentur- und Marketingbühne viel mehr als nur ein weiterer Award für eine einzelne Agentur. Es ist die allerbeste Werbung für die Bedeutsamkeit der Kommunikations- und Markenplattform Sport über den Sport hinaus. Ich würde nicht nur deshalb vielen geschätzten Branchenkolleginnen in Deutschland empfehlen, öfter einmal über den eigenen Spielfeldrand hinaus zu dribbeln und sich nicht immer nur beim SPOBIS oder DFB-Pokal mit sich selbst zu treffen, sondern wie die FIFA, NFL oder F1 auch mal bei Kreativ-Festivals in Cannes oder Konferenzen, wie der SXSW, stattzufinden. Das Sportbusiness muss dort für Sport werben, wo Sport nicht der alleinige Spielmacher ist und dabei immer wieder herausstellen, welch einzigartiges Skillset der Sport für Marken und Medien mitbringt. Storytelling, dass auf menschlichen Wahrheiten und Begegnungen basiert. Kulturelle Relevanz, die nicht künstlich kreiert werden muss. Technologische Innovation, die kein Selbstzweck ist. Gesellschaftlicher Brückenbau, der in jedem Sportevent nativ verankert ist.

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Die Jung von Matt SPORTS Award-Treppe: 2024 gewann die Agentur über 130 Awards und wurde damit zur weltweit meist ausgezeichneten Kreativagentur im Sport | Foto: Jung von Matt SPORTS

Sportmarken kämpfen um Aufmerksamkeit in einer digitalen Welt voller Reize. Wie schafft man es, Fans nachhaltig zu binden, über Likes und Shares hinaus?

Das ist eine der großen Fragen unserer Branche, auf die es nicht nur viele verschiedene Antworten gibt, sondern auch jede Menge vielversprechender Buzzwords. Eine Antwort für Sportmarken wie Vereine und Athleten ist es, eine unverwechselbare und anziehungskräftige Identität und IP aufzubauen. Etwas, mit dem sich Menschen gerne identifizieren, weil es in ihr Selbstkonzept passt. Etwas, für das Marken freiwillig Geld bezahlen, weil die Verbindung und der Zugang einen unvergleichlichen Wert haben.

Eine weitere Antwort in der heutigen Aufmerksamkeitsökonomie orientiert sich an der Qualität wiederkehrender, teils serieller Inhalte, mit denen sich Menschen freiwillig beschäftigen – vom Stadionsitz bis zum Social Stream. Nicht als Konsumentinnen, sondern als Fans. Oder einfach als „Sports Binge Watcher“, wie die Inflation an Sportdokus und non-fictional Verfilmungen von Netflix, Amazon & Co. zeigt.

Eine ewigliche Antwort auf die Frage nach Relevanz für Sportrechtehalter und Sponsoren liegt weiterhin in der kreativen Teilhabe an globalen Blockbustern wie dem Super Bowl, dem Champions League Finale oder den Olympischen Spielen. Große Momente auf großen Bühnen für großen Content. Auch wenn das Potenzial für quantitative Reichweite hier besonders groß erscheint, ist es auch die kommunikative Konkurrenz und damit die Gefahr der emotionalen Unsichtbarkeit.

Die aktuell wohl populärste Antwort für Marketeers ist die unmittelbare Nähe und Beziehungstiefe zu exklusiveren, teils kleineren Communities. Physisch und digital. Beispiele gibt es genügend, wie die derzeit gehypten Fussballformate von Baller bis Kings League oder die wiederkehrende Flut an Urban Running Clubs. In der Marketingbranche sprechen die meisten jetzt von Cultural Marketing. Die Gefahr der Austauschbarkeit bleibt jedoch auch hier bestehen. Denn desto mehr Marken mit Creatorn limitierte T-Shirt-Kollektionen gestalten oder kleine Coffee Shops eröffnen, desto weniger wird es dauerhaft besonders bleiben.

Deshalb bleibt die wohl richtigste Antwort für alle Marken im und mit Sport: listen to everything, but do your own thing.

Viele Unternehmen investieren in Sportsponsoring, doch nicht jede Aktivierung zündet. Welche Fehler siehst du hier am häufigsten und was macht eine Kampagne wirklich erfolgreich?

Sponsoring ist die mit Abstand geilste Werbeform und -fläche der Welt. Daran glaube ich zutiefst. Nirgends gibt es mehr und bessere Möglichkeiten für Marken so vielfältig wie gezielt und tief mit Menschen in Kontakt zu treten und langfristige Beziehungen aufzubauen. Was dabei von Sponsoren oft außer Acht gelassen wird, ist die Frage nach dem richtigen Partner und den richtigen Leistungen im Sponsoringvertrag, weit bevor das Briefing für die Aktivierung geschrieben wird. Erlebbar wird eine Marke ja nicht primär, weil sie bei einem Event mit ihrem Logo präsent ist, sondern weil es ihr gelingt, über einen längeren Zeitraum eine Botschaft oder Thema zu besetzen, dass zur Unterhaltung und zum emotionalen Erlebniswert von Sport beiträgt. Dabei wird im Auswahlprozess das Prinzip der Branchenexklusivität oft brutal überschätzt und aus Sponsorensicht oft viel zu teuer bezahlt. Es ist aufgrund der Kanalvielfalt für Sportinhalte nicht mehr alleinig relevant, dass eine Marke die Einzige ihrer Branche auf der Werbebande ist, sondern dass ich als Marke im längst überbesetzten Sponsoringstrafraum etwas zu bieten habe, was nicht nur wie Werbung aussieht, sondern für Sport und Fans einen Wert hat.

Was ich Sport- und Sponsoring-Deutschland für die Zukunft wünsche: mehr Investitionsfreude in Sportarten, die nicht nur nach Media-ROI funktionieren. Sondern Sportarten, die Sponsoren und deren kreative Power brauchen, um sichtbarer und wertvoller zu werden. Sowie Google Pixel im Frauen-Fußball, die Telekom im Basketball oder einst die DKB im Handball. Dort liegen für Sponsoren große Marken-Chancen, auch wenn es um den allseits ersehnten Zugang zur Gen-Z und deren Sub-Kulturen geht.

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Das JvM SPORTS Führungsteam (v.l.n.r.): Julia Brinker, Lukas Hartmann, Ronnie Patt, Katja Kraus, Felix Appelfeller, Robert Zitzmann, Carl Kuhn und Alexander Michaelsen | Foto: Jung von Matt SPORTS

Jung von Matt SPORTS hat für große Clubs und Marken gearbeitet. Gibt es ein Projekt, bei dem du selbst überrascht warst, wie stark es eingeschlagen hat?

Mit Sicherheit hatte unser Jersey-Launch für adidas und den DFB ein Momentum, das in dieser Dimension selbst uns überrascht hat. Eine ganze Nation hat über unsere Kampagne diskutiert, Major Tom wurde zur neuen Hymne im ganzen Land und vor allem: wir konnten dabei helfen, ein Stück EM-Euphorie zu entfachen zu einer Zeit, in der der emotionale Aktienkurs unserer Nationalmannschaft im Keller war. Überrascht war ich persönlich außerdem von unserer Kampagne mit José Mourinho für Topps und der unmittelbaren wie nachhaltigen Viralität auf Tiktok. Die Zeile aus unserem Film „I am José Mourinho“ ist bis heute Kult und war nicht nur für unseren langjährigen Kunden Topps ein Megaerfolg, sondern auch für José Mourinho selbst der Startschuss für viele neue Sponsoring-Deals.

Viel wichtiger als der post-rationale und oftmals dankbare Blick auf erfolgreiche Arbeiten ist für uns jedoch der Blick auf all die Arbeiten, die eben kein Viral-Hit werden. Oder anders gesagt: in der kommunikativen Mülltonne landen. Zu unserem 10-jährigen Agenturgeburtstag haben wir dafür gemeinsam mit der Horizont unsere „Flop10“ veröffentlicht: eine Kollektion der größten Fails und Missgeschicken von Jung von Matt SPORTS seit Agenturgründung. Weil wir nicht nur wie Sportler an jeder Niederlage wachsen und dadurch besser werden, sondern weil jede Agentur im Sportbusiness auch Spielfreude und Leichtigkeit braucht. Vor allem dann, wenn sie kreativ erfolgreich sein will.

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Adidas x DFB Jerseys aus der „Typisch Deutsch“-Kampagne | Foto: Jung von Matt SPORTS

Die junge Zielgruppe ist ständig in Bewegung, von TikTok bis Metaverse. Welche Trends sollten Sportmarken jetzt unbedingt auf dem Schirm haben?

Ich bin kein großer Fan davon Marken mit Steilpässen von einem Social Media Trend zum nächsten zu schicken. Tiktok ist ja auch längst kein Trend mehr, sondern eine der etabliertesten Zeitgeist-Plattformen weltweit. Bei Olympia in Paris war Tiktok vielleicht sogar der wichtigste Kanal von allen, um mit der Gen-Z weltweit zu interagieren.

Was Metaverse und Gaming betrifft hat sich Roblox zu einer Benchmark für Markenintegration entwickelt – auch für Sportmarken. Aber auch analog zur Bewertung tradierter Sponsoring-Engagements, stellt sich für Marken im Vorfeld auch hier die Frage nach dem richtigen KPI: Time spend with the brand. Die Zeit, die Marken über eigene und kollaborative Gaming-Welten mit Usern verbringen können, ist nicht mit der limitierten Aufmerksamkeit für klassische Werbung vergleichbar.

Das aktuell heißeste Tech-Thema ist ohne Frage AI. Kein Trend, kein Branchenthema, kein Buzzword, sondern eine nachhaltige Disruption für Konsum, Kultur und Kreativität. Ohne zu wissen was kommt, würde ich Marken pauschal empfehlen ohne Aufregung in eine unendliche, neue Lernphase einzutauchen, um herauszufinden, wie man mit AI arbeitet und welchen Einfluss es für Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter, Marke und Marketing haben kann. Vielleicht wird der Sport als Ort echt erlebbarer Emotionen von und mit Menschen in 10 Jahren sogar noch relevanter werden, wenn sich der Rest der Kommunikationsbranche zunehmend standardisiert und artifizieller wird.

Vielen Dank für das Gespräch.



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