Thomas Röttgermann, ehemaliger Geschäftsführer der VfL Wolfsburg-Fußball GmbH und Vorstandsvorsitzender Fortuna Düsseldorf, zählt zu den renommierten Führungspersönlichkeiten im deutschen Fußballmanagement. Mit seiner langjährigen Erfahrung bei Sportfive und in leitenden Club-Positionen hat er tiefgreifende Einblicke in die Herausforderungen und Potenziale der Branche gewonnen. Heute leitet er die Agentur RROAD, die sich auf strategische Beratung und Management im Sport spezialisiert. Im Interview spricht Röttgermann über seine Karriere, aktuelle Entwicklungen im Fußball wie Financial Fair Play und Wege zu mehr Nachhaltigkeit und Markenbindung.
Herr Röttgermann, Sie blicken auf eine beeindruckende Karriere in verschiedenen Führungspositionen zurück. Welche Stationen haben Sie dabei besonders geprägt, und was hat Sie ursprünglich dazu bewogen, in die Welt des Sports und speziell des Fußballmanagements einzusteigen?
Alle Stationen waren prägend und jede hat sich zum entsprechenden Zeitpunkt gut angefühlt. Im Grunde ist es aber ein Gesamtpaket. Ich habe über meine Geschäftsführertätigkeit bei Sportfive eine sehr professionelle, aber eben auch “andere“ Sichtweise auf den Sport im Allgemeinen und den Fußball im Besonderen bekommen.
Zudem hatte ich das Glück, Vereine zu führen, die sehr unterschiedlich verfasst sind. Etwas lapidar würde ich sagen, dass ich durch diese verschiedenen Facetten eigentlich alles bereits erlebt habe, was im Fußball passieren kann. Nur eines fehlt in meiner Vita: Ich war nie bei einem Verband.
Warum ich in das Fußballmanagement eingestiegen bin? Ich kann nur mit zwei langweiligen Klassiker-Antworten dienen: Zum einen, weil ich fußballverrückt bin und zugleich in der Lage, analytisch und rational zu entscheiden. Zum anderen war es eine Reihe glücklicher Zufälle, die mich in die Spur gebracht haben.
Mit Ihrer Agentur RROAD konzentrieren Sie sich auf Management- und Beratungsdienstleistungen im Sport. Welche Ziele verfolgen Sie mit diesem Ansatz, und können Sie uns ein Beispiel für ein aktuelles Projekt nennen, das Sie besonders begeistert?
Ich möchte anderen – besonders jungem Führungsnachwuchs – meine Erfahrungen weitergeben. Es macht mir viel Freude, sie zu coachen und im Idealfall an der einen oder anderen Klippe vorbeizuführen. Ich habe auch Aufsichtsrats- und Beiratsmandate angenommen und berate Aufsichtsgremien.
In Ihrer Laufbahn haben Sie zahlreiche Entwicklungen im Fußball miterlebt. Welche Veränderungen waren für Sie besonders prägend, und wie sehen Sie die Balance zwischen sportlichem Erfolg und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit?
Positiv prägend ist sicher die weltumspannende Bedeutung des Fußballs. Nur dadurch sind die Erlöse aus Werbe- und Medienrechten in der gegenwärtigen Größenordnung erzielbar. Zugleich – und das ist die negative Prägung – liegt darin die große Gefahr, die Bodenhaftung zu verlieren. Die Tendenz der internationalen Verbände, immer mehr Formate, Wettbewerbe und Spiele einzuführen, bringt den Spielbetrieb an die Grenze des Durchführbaren und werden sich langfristig ermüdend auf Medien, Sponsoren und Fans auswirken.
Clubs und auch lizenzhaltende Kapitalgesellschaften zielen nicht in erster Linie auf hohe Gewinne des Geschäftsbetriebes ab. Ziel ist zumeist der größtmögliche sportliche Erfolg. Eine damit einhergehende positive wirtschaftliche Entwicklung ist dabei dann mehr ein “Kollateralnutzen“.
Ich habe immer dafür plädiert, dass jeder Club für sich den individuellen sportlichen Korridor definiert, in dem er sich mit Blick auf seine Finanzierbarkeit bewegen kann.
Schlicht und einfach “gehört“ eben nicht jeder Club in die 1. oder 2. Liga, auch wenn das Fans und Verantwortliche noch so sehr möchten. Hält sich ein Club konsequent in seinem Korridor auf, werden die Zahlen schwarz sein. Dann passen (relativer) sportlicher Erfolg und wirtschaftliche Nachhaltigkeit zusammen.
Die Rolle der sozialen Medien wächst stetig. Wie können Clubs und Akteure diese Kanäle effektiver nutzen, um ihre Marken zu stärken und Fans enger an sich zu binden?
Zunächst einmal muss nicht jeder Club bei jeder Katzenkirmes dabei sein. Ich rate beispielsweise auch jedem Club, sich von der X-Plattform (früher Twitter) zu verabschieden, weil dort kein positiver Impact mehr zu erwarten ist.
Gleichwohl bieten soziale Medien viele Möglichkeiten, die Akteure und Clubs “anders“ und damit meine ich authentischer darzustellen. Über diese Authentizität und vor allem die möglichen Interaktionen mit Fans, Sympathisanten und Partnern kann eine gewaltige Bindungswirkung entstehen – wenn die Plattform richtig gewählt und platziert ist.
Ideal wäre es, wenn Clubs und Spieler dort intensiver und “verlinkter“ zusammenarbeiten würden. Das würde die Club-Präsenzen noch einmal deutlich befördern. Allerdings gibt es in diesem Punkt selten eine hinreichende Interessenidentität von Club und Spielern.
Die europäische Fußballlandschaft steht vor großen Herausforderungen, wie durch Financial Fair Play oder die Super League-Debatte. Wie bewerten Sie diese Entwicklungen?
Wie ich bereits erwähnt habe, muss der Fußball aufpassen, dass er das Rad nicht überdreht. Zu viele Formate auf verschiedensten Ebenen verwässern den früher eindeutigen hierarchischen Systemaufbau und machen die Wettbewerbslandschaft unübersichtlich.
Und das bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Akzeptanz und gefährdet emotionale Bindungen.
Ebenso gefährlich ist es, wenn die sportliche Integrität nicht mehr gewährleistet ist. Hier besteht sicher eine Herausforderung darin, Finanzströme kritisch zu analysieren und zugleich wirtschaftliche Ausgleichsmechanismen für die Clubs zu etablieren, die – obgleich im selben sportlichen Wettbewerb stehend – wirtschaftlich inakzeptabel benachteiligt sind.
Grundsätzlich bin ich jedoch für Pluralität in Bezug auf die Wege der Finanzierung und übrigens auch mit Blick auf die Zusammenarbeit von Clubs im wirtschaftlichen Kontext. Und nicht zuletzt: kreative und innovative neue Ansätze können durchaus ein erwünschter Treiber für die Weiterentwicklung des Systems sein.
Die steigenden Transferausgaben im Fußball polarisieren. Was bedeutet diese Entwicklung für kleinere Clubs, und wie könnte der Fußball hier eine nachhaltigere Struktur schaffen?
Jeder Club definiert für sich den eigenen Korridor in der sportlichen Positionierung. Es kann beispielsweise der beste Weg für einen Club sein, als sogenannter “Ausbildungsverein“ junge und talentierte Spieler zu identifizieren und auszubilden. Dies konsequent umgesetzt, werden auch kleinere Clubs von steigenden Transferumsätzen profitieren. Diese Tendenz stärkt übrigens auch die DFL: Schon jetzt bietet die Verteilungssystematik bei den Bundesliga-Medienrechten Clubs die Möglichkeit, zusätzliche siebenstellige Erlöse allein durch das konsequente Fördern junger Spieler zu generieren.
Vielen Dank für das Gespräch.