Foto: Moritz Attenberger
Antje von Dewitz ist Geschäftsführerin des Outdoor-Unternehmens VAUDE, das sie seit 2009 leitet und zu einer der nachhaltigsten Marken Europas entwickelt hat. Unter ihrer Führung wurde VAUDE zum Vorreiter für ökologische und faire Produktionsstandards in der Outdoor-Branche. Im Interview spricht sie über nachhaltiges Wachstum, kulturellen Wandel und die Balance zwischen ökologischer Verantwortung und wirtschaftlichem Erfolg. Sie erklärt zudem, warum Nachhaltigkeit bei VAUDE längst zum Kern des Geschäftsmodells geworden ist.
Antje, du bist ins Familienunternehmen VAUDE eingestiegen und hast es in den letzten Jahren stark geprägt. Was hat dich damals dazu bewegt, die Geschäftsführung zu übernehmen, und wie hat sich deine Rolle seitdem verändert?
Ich wollte schon immer etwas zum Positiven verändern und mich aktiv für globale Herausforderungen wie Klimawandel oder Artensterben engagieren. Während eines Praktikums bei VAUDE habe ich erkannt, dass ich als Unternehmerin große Hebel habe, um wirklich etwas zu bewegen. Ich wollte Verantwortung übernehmen und zeigen, dass Wirtschaft auch anders funktionieren kann. Ökologisch, fair und sinnstiftend.
Gleichzeitig war VAUDE für mich nie nur ein Arbeitsplatz, sondern eine Herzensangelegenheit. Eine Marke, die perfekt zu meiner Leidenschaft passt. Ich habe in dieser Zeit das Bergsteigen, Mountainbiken und Skitourengehen für mich entdeckt. Diese Begeisterung für Bewegung in der Natur hat meine Entscheidung für VAUDE stark geprägt. Ich wollte in einer Branche arbeiten, die mich inspiriert und die Menschen dazu motiviert, draußen aktiv zu sein. Outdoor ist für uns nicht nur ein Markt, sondern eine Lebenshaltung.
Mit dieser Motivation habe ich 2009 die Geschäftsführung übernommen. Am Anfang stand viel Pionierarbeit: Nachhaltigkeit als Unternehmensprinzip zu etablieren und gleichzeitig den wirtschaftlichen Erfolg zu sichern. Heute sehe ich meine Rolle als Visionärin und Gestalterin, aber auch als operative Lenkerin in herausfordernden Zeiten.
Die wirtschaftliche Lage und das veränderte Konsumverhalten fordern uns alle. Wir müssen unsere Organisation noch effizienter und agiler machen, um weiter aus eigener Kraft zu wachsen. Dabei geht es nicht um Sparen, sondern um kluge Fokussierung, schlanke Strukturen und Innovationskraft im Kern des Unternehmens. Wir nutzen die aktuelle Phase, um uns gezielt weiterzuentwickeln. Mit stärkerer Kundenorientierung, klareren Prozessen und mehr Eigenverantwortung in den Teams. So bleiben wir beweglich, anpassungsfähig und können VAUDE auch in einem anspruchsvollen Umfeld zukunftsfest aufstellen.
Wenn du heute auf die größten Entscheidungen bei VAUDE zurückblickst, welche haben das Unternehmen am meisten geprägt und was davon war besonders herausfordernd?
Die wichtigste und grundlegendste Entscheidung war, VAUDE konsequent nachhaltig auszurichten, mit allem, was dazugehört: vom EMAS-zertifizierten Umweltmanagement über faire Lieferketten bis hin zur Klimastrategie „Net Zero 2040“. Wir haben nicht nur Prozesse umgestellt, sondern die gesamte Unternehmenskultur transformiert.
Besonders herausfordernd war dabei, unsere hohen ökologischen und sozialen Standards mit den Anforderungen eines international hart umkämpften Marktes in Einklang zu bringen und gleichzeitig Produkte zu entwickeln, die in Funktion und Performance überzeugen. Denn VAUDE steht für beides: technische Exzellenz und ökologische Verantwortung. Unsere Produkte müssen draußen bestehen. Auf der Skitour, der Bergtour oder dem Radweg zur Arbeit.
Ein gutes Beispiel ist der konsequente Verzicht auf die Chemikalie PFAS. Diesen Weg sind wir schon vor 15 Jahren gegangen, als es kaum Alternativen gab. Wir mussten tief in die Materialentwicklung einsteigen, eng mit Partnern zusammenarbeiten und unzählige Tests durchführen, um sicherzustellen, dass die Funktionalität, etwa Wasserdichtigkeit und Atmungsaktivität, unseren hohen Ansprüchen genügt.
Heute zeigt sich: Der Weg war richtig. Nachhaltigkeit und Funktion schließen sich nicht aus. Im Gegenteil, sie treiben Innovation und Qualität.

VAUDE ist sowohl national als auch international aktiv. Wie entscheidest du, in welche Märkte oder Produkte ihr investiert, und worauf achtest du besonders, bevor neue Projekte starten?
Wir wachsen aus eigener Kraft. Schritt für Schritt, in Märkten, die zu uns passen. Das heißt: Wir suchen Regionen, in denen Menschen unsere Interpretation von Outdoor und Bike teilen. Wo Naturerleben, Bewegung und Nachhaltigkeit miteinander verbunden sind. Dort finden wir nicht nur Kundinnen und Kunden, sondern Gleichgesinnte.
Unsere Markterschließung richtet sich deshalb nicht allein nach Potenzial oder Größe, sondern auch nach kultureller Nähe und dem Verständnis von Outdoor-Aktivitäten. Das gilt für Bergsportregionen in Europa ebenso wie für Märkte, in denen Radfahren und das Unterwegssein im Freien Teil des Alltags sind.
Neue Produkte müssen die strengen Kriterien unseres Green Shape Standards erfüllen. Reparierbarkeit, Langlebigkeit, Recyclingfähigkeit und Ressourceneffizienz werden von Anfang an mitgedacht. Gleichzeitig entwickeln wir sie mit einem klaren Performance-Anspruch: leicht, robust, funktional und klimafreundlich. So stellen wir sicher, dass unsere Ausrüstung in allen Lebenslagen optimal funktioniert. Ob beim Bikepacking, auf Bergtour oder im Alltag.
Stichwort Teamführung: Du führst ein mittelständisches Unternehmen. Welche Prinzipien helfen dir, dein Team zu motivieren und gleichzeitig das Business erfolgreich zu lenken?
Wir setzen auf eine werteorientierte Führung, die auf Vertrauen, Selbstverantwortung und Augenhöhe basiert. Unsere Mitarbeitenden sollen sich als aktive Mitgestalter erleben und entfalten können. Führung bedeutet für uns, Freiraum zu geben und Orientierung zu bieten. Ähnlich wie beim Bergsteigen: Jede und jeder geht eigenverantwortlich, aber alle verfolgen ein gemeinsames Ziel.
Zu unserer Vertrauenskultur gehören Rahmenbedingungen wie flexible Arbeitszeitmodelle, Homeoffice oder mobiles Arbeiten, um eine gute Vereinbarkeit von Familie, Freizeit, Sport und Beruf zu ermöglichen. Diese Kultur stärkt die Identifikation, Motivation und Innovationskraft unseres Teams und macht uns widerstandsfähig in bewegten Zeiten.
Sponsoring und Partnerschaften spielen bei VAUDE auch eine wichtige Rolle. Worauf achtet ihr bei der Auswahl von Partnern, und was macht für euch eine Partnerschaft wirklich erfolgreich?
Wir suchen Partnerschaften, die auf gemeinsamen Werten beruhen und die gleichzeitig unsere Leidenschaft für Bergsport, Radfahren und das Draußensein widerspiegeln. Unsere Athletinnen und Athleten, Botschafterinnen und Botschafter und Organisationen müssen unsere Haltung teilen: Verantwortung, Fairness und die Begeisterung für Bewegung in der Natur.
Glaubwürdigkeit und Authentizität stehen dabei an erster Stelle. Eine Partnerschaft ist dann erfolgreich, wenn sie beidseitig inspiriert. Durch gemeinsame Projekte, fachlichen Austausch, innovative Ideen oder gesellschaftliches Engagement. Mit dem Deutschen Alpenverein arbeiten wir beispielsweise seit vielen Jahren im Bereich Umwelt- und Naturschutz zusammen, um den Bergsport naturverträglich weiterzuentwickeln.
Am Ende verbindet uns mit all unseren Partnern eines: die Freude am Draußensein und die Überzeugung, dass echter Fortschritt nur im Einklang mit Natur und Mensch entsteht.
Vielen Dank für das Gespräch.
