Foto: Urs Golling
Paul Schif steht seit über einem Jahrzehnt an der Spitze von Laureus Sport for Good in Deutschland und Österreich. Im Interview spricht er über seinen persönlichen Weg in die soziale Sportförderung, den nachhaltigen Impact von Programmen wie AMANDLA und darüber, warum Sport weit mehr ist als Bewegung – nämlich ein Werkzeug zur Stärkung von Selbstwirksamkeit, Inklusion und Bildung. Schif zeigt auf, wie Unternehmen über klassische PR hinaus echten gesellschaftlichen Wandel unterstützen können und warum es eine tägliche „Sport for Good Stunde“ an Schulen braucht.
Paul, du leitest Laureus Sport for Good in Deutschland und Österreich. Was hat dich dazu bewogen, diesen Weg einzuschlagen? Gab es einen Schlüsselmoment, der dich besonders geprägt hat?
Laureus Sport for Good vereint für mich das Beste aus allen Welten. Sport, Soziales und die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Diese drei so unterschiedlichen Bereiche darf ich mit dem Ziel, einen größtmöglichen Impact auf unsere Gesellschaft zu erzielen, zusammenführen. Das erfüllt mich und gibt mir die Möglichkeit, meine persönlichen Stärken – das Zusammenbringen der richtigen Menschen und das Heben von Synergien zwischen ihnen – sinnstiftend einzusetzen.
2013 bin ich für den Aufbau eines Unternehmens nach Südafrika gezogen und habe dort die Gründer des Sport-Sozialunternehmens AMANDLA EduFootball kennengelernt, das mich nachhaltig beeindruckt hat. Durch die einfache Kombination von Fußball mit Bildungselementen wie Hausaufgabenbetreuung, dem Aufbau von IT-Infrastruktur für die Teilnehmer und einem beleuchteten Echtrasen-Fußballplatz als so genanntes „Safe Hub“, erreicht AMANDLA seit über 15 Jahren unzählige Kinder und Jugendliche in Townships. Mittels laufender Evaluation beweist die Organisation, dass mit dieser Methode wesentlichen Herausforderungen wie Kriminalität, Bildungsarmut und Perspektivlosigkeit wirksam begegnet werden kann. Das hat mich so begeistert, dass ich mit den beiden Gründern ein Social Franchise Modell für AMANDLA entwickelt habe, das sich über den Verkauf von Safe Hub Lizenzen finanziert und wächst. Der Afrikanische Fußballverband ist als Lizenznehmer hinzugekommen und mittlerweile gibt es sogar ein AMANDLA Safe Hub in Berlin.
Aufgrund dieser Entwicklungen ist der Stiftungsvorstand der Laureus Sport for Good Foundation im Jahr 2014 auf mich aufmerksam geworden und hat mir die Geschäftsführung der Stiftung für Deutschland und Österreich angeboten. Da musste ich nicht lange drüber nachdenken und bin eingestiegen. Unglaublich, dass das jetzt schon elf Jahre sind…
Laureus Sport for Good nutzt Sport, um benachteiligten Kindern zu helfen. Welche konkreten Mechanismen sorgen dafür, dass aus einem Sportprogramm echte soziale Veränderung entsteht? Hast du ein Beispiel, das zeigt, wie der Sport ein Leben nachhaltig verändert hat?
Genau genommen setzen wir nicht Sport, sondern “Sport for Good” ein, was international auch unter dem Oberbegriff “Sport for Development” bekannt ist. Es geht darum, Bewegungs- und Sportangebote so zu gestalten, dass das Ziel nicht die Steigerung der sportlichen Leistung ist, sondern die Entwicklung von Fähigkeiten und Kompetenzen der jungen Menschen, die sie im Leben weiterbringen. Wir analysieren dabei gesellschaftliche Herausforderungen und identifizieren Lösungswege, die über Sport for Good Angebote geschaffen werden können.
In der Bildung hat die Forschung zum Beispiel gezeigt, dass Kinder aus einkommensschwachen Haushalten seltener an ihre eigenen Fähigkeiten glauben. Und auch die Lehrkräfte sind – oft unbewusst – voreingenommen und bewerten unterschiedlich. Sport for Good identifiziert die Stärken, die es braucht, um diese Herausforderung zu meistern, fördert zum Beispiel die Selbstwirksamkeit oder die Fähigkeit, Ziele zu setzen und zu verfolgen. Und idealerweise gibt es dazu noch ein Element, das an den Ursachen ansetzt und nicht nur die Symptome bei den Kindern und Jugendlichen auffängt.
Im Inklusionsbereich haben Kinder mit Behinderung mit geringerer gesellschaftlicher Teilhabe zu kämpfen. Auch im Sport – aber das Ziel der Angebote ist es nicht nur, mehr Sportmöglichkeiten für Kinder mit Behinderung zu schaffen, sondern zum Beispiel Vorurteile abzubauen, indem gemeinsam in inklusiven Gruppen geklettert oder voltigiert wird. Ein anderes Programm fährt Wheelchair MX, nimmt die Kinder im Rollstuhl also mit in die Skateparks. Hier erobern sie nicht nur einen neuen, öffentlichen Raum, der ihnen vorher vielleicht nicht zugänglich war, sondern lernen Skills, die ihnen auch in unserem von Barrierefreiheit noch weit entfernten Alltag helfen, zum Beispiel hohe Bordsteinkanten alleine zu überwinden. Was wiederum die Selbstwirksamkeit und ihre Unabhängigkeit stärkt. Und genau das meinen wir auch, wenn wir sagen, wir nutzen die Kraft des Sports über die reine Bewegung hinaus.

Wissenschaftlich gesehen haben sich für die Methoden in den vergangenen Jahren einige Qualitätskriterien für wirksame Angebote herauskristallisiert. Auf diesen beruht auch die Auswahl der Programme, die Laureus Sport for Good fördert: Die Angebote sollten regelmäßig, verlässlich und über einen Zeitraum von mindesten drei Monaten mit den Teilnehmenden stattfinden, die Mitarbeitenden müssen gut ausgebildet sein und die Angebote sollten einem standardisierten Plan folgen. Die Organisation braucht eine starke Struktur, die nicht nur auf Ehrenamtlichkeit basiert, ein Kinderschutzkonzept und eine Wirkungsorientierung. Wenn man das alles beachtet, kann man recht sicher sein, ein wirksames Programm ausgewählt zu haben.
Beispiele, die zeigen, wie Sport for Good Leben nachhaltig verändert hat, gibt es aus den letzten 25 Jahren seit Gründung der Laureus Sport for Good Foundation unzählige. Besonders beeindruckt hat mich die Entwicklung eines Jungen, der nach schlimmen Erlebnissen in seiner Kindheit, die zu psychischen Problemen geführt haben, über ein Sport for Good Programm neuen Mut fassen konnte und seinen Traum, Pilot zu werden, erfolgreich umgesetzt hat. Er hat es ins Ausbildungsprogramm der Lufthansa geschafft und fliegt heute für eine große Fluggesellschaft. Ihm hat die Sport for Good Methode ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht und ihm im wahrsten Sinne des Wortes die Tore in die Welt geöffnet.
Viele Unternehmen setzen auf klassisches Sportsponsoring – aber nur wenige investieren strategisch in soziale Sportprojekte. Wie kann ein Unternehmen wirklich nachhaltige Wirkung erzielen, ohne dass es nur nach PR aussieht?
Das Wichtigste sind in der Unternehmensstrategie formulierte Wirkungsziele für den sozialen Impact, die mit den Unternehmenszielen einher gehen. In Kombination mit kontinuierlicher Wirkungsmessung und Evaluation lassen sich die Ergebnisse dann glaubwürdig und anschaulich kommunizieren – und so wesentlich effektiver in der Unternehmenskommunikation einsetzen. Wir versuchen Unternehmen in diesen Prozessen zu begleiten und zu unterstützen.
Laureus Sport for Good zeichnet aus, dass wir seit 25 Jahren Erfahrung im Sport for Good Sektor sammeln und die Wirkungslogik mit den Unternehmen in ihre Strategie integrieren. Dadurch werden sie zu Partnern und nicht nur zu Geldgebern. Der Sport for Good Sektor arbeitet an vielen Bereichen, die für die Unternehmen und den Standort Deutschland enorm wichtig sind: Sozialer Zusammenhalt, gut ausgebildete junge Menschen, die entscheidungsfähig sind und gestalten möchten, eine gesunde Gesellschaft, sowohl mental als auch körperlich. Als dies sind Bereiche, die einem Unternehmen ganz unabhängig von ihrer Strategie zugutekommen.
Unser Gründungspartner und Stifter Mercedes-Benz hat sich in den letzten Jahren massiv weiterentwickelt und verfolgt heute eine ähnliche Wirkungslogik wie Laureus Sport for Good für das unternehmensweite soziale Engagement. Jedes Unternehmen, das ehrliches Interesse hat, soziale Wirkung zu erzeugen, ist herzlich eingeladen, mit Laureus Sport for Good zusammenzuarbeiten. Wir sind nicht so exklusiv, wie es vielleicht nach außen aussieht. Wir achten nur sehr genau darauf, wer es ernst meint.
Welche Trends werden, deiner Meinung nach, die soziale Sportförderung in Zukunft bestimmen? Wird der Fokus eher auf Digitalisierung, mentale Gesundheit oder integrativen Sportangeboten liegen?
Der Bedarf wird in allen Bereichen nicht geringer, sondern zunehmen. Im Sport for Good Sektor spielt die Digitalisierung vor allem für die Skalierung von Angeboten eine bedeutende Rolle. Gleichzeitig stellt die Digitalisierung eine große Herausforderung für die mentale Gesundheit junger – aber auch älterer – Menschen dar. Integration – besser Inklusion – wird dabei hoffentlich mittelfristig gelebter Standard in unserer Gesellschaft.
Konkret sehen wir die zunehmende Bewegungsarmut und das mangelhafte Sportangebot an Schulen als die größten Herausforderungen für Kinder und Jugendliche an, um überhaupt von der Kraft des Sports profitieren zu können. Eine tägliche „Sport for Good Stunde“ an Schulen, in Kindergärten und auch für ältere Menschen, wäre ein riesiger Schritt zur Lösung dieser Herausforderungen. Wir haben es uns mit Laureus Sport for Good daher zum Ziel gesetzt, die tägliche Sport for Good Stunde in Partnerschaft mit den bereits im Sektor aktiven Organisationen, an den Schulen einzuführen und zu etablieren.
Angenommen, du hättest einen Elevator Pitch für die Führungsetage eines großen Unternehmens, das sich bisher kaum sozial im Sport engagiert. Was wäre deine zentrale Botschaft, um sie zu überzeugen?
Ich versuche immer, den Unternehmern und Führungskräften vor Augen zu führen, welch positive Wirkung der Sport auf ihr eigenes Leben hat. Am besten funktioniert das bei einer gemeinsamen Runde Sport und wenn sie Laureus Sport for Good besser kennengelernt haben bei einer Sport for Good Session in einem der von uns geförderten Sport-Sozialprogramme. Das überzeugt fast jede(n).
Wer Interesse hat, gemeinsam mit uns in Bewegung zu kommen, kann mich jederzeit kontaktieren: paul.schif@laureus.de oder über LinkedIn.
Vielen Dank für das Gespräch.