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Markus Hörwick im Gespräch: Medienarbeit beim FC Bayern München

Foto: GettyImages / Alexander Hassenstein

SportWirtschaft Journal: Herr Hörwick, während Ihrer über drei Jahrzehnte währenden Tätigkeit beim FC Bayern München haben Sie unzählige Momente erlebt. Könnten Sie uns ein Highlight nennen, das für Sie persönlich in dieser Zeit heraussticht?

Markus Hörwick: Puh, da tu ich mir schwer, es waren so viele. Die Wutrede von Trapattoni, die Auseinandersetzung zwischen Uli Hoeneß und Christoph Daum, die Depression von Sebastian Deisler, der Bau der Allianz Arena, viele, viele Krisensituationen, insgesamt 46 Titelgewinne – aber auch einige bittere Niederlagen und Enttäuschungen.

Und doch gab´s vier Tage, die alles an Dramatik in den Schatten stellten: 2001, als wir am letzten Bundesliga-Spieltag in Hamburg in der 90. Minute die Deutsche Meisterschaft an Schalke 04 verloren hatten – und sie in der 94. Minute wieder gewannen. Das war unfassbar. Und vier Tage später gewannen wir in Mailand das Champions League-Finale – im Elfmeterschießen.

Im Anschluss interessiert uns besonders: Gab es spezifische Herausforderungen oder Wendepunkte während Ihrer Zeit beim FC Bayern, die für Sie und den Klub besonders prägend waren?

Die Medienwelt und das Interesse der Menschen an Fußball hat sich in der Zeit zwischen 1980 und heute total verändert. Das war keine Revolution, das war eine Explosion. In den 80er Jahren war alles noch sehr ruhig, fast romantisch. Dann kamen die privaten Radios, das private Fernsehen, das Internet mit seinen gigantischen Möglichkeiten, aber auch seiner Anonymität. Es folgte der nächste Knall mit den sozialen Netzwerken, jetzt KI.

Jeder dieser Schritte hatte und hat seine eigenen Herausforderungen, boten aber auch bis dato ungeahnte Möglichkeiten. Man musste sie nur rechtzeitig erkennen. Ich glaube, beim FC Bayern haben wir das ganz ordentlich geschafft.


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Die Medienlandschaft hat sich drastisch gewandelt. Wie haben Sie diese Veränderungen während Ihrer Karriere erlebt, und welche Anpassungen waren erforderlich, um den FC Bayern München erfolgreich in der Medienlandschaft zu positionieren?

Ich hatte es gerade angesprochen: die Medienlandschaft ist explodiert. Statt sechs Journalisten und drei Kamerateams kamen plötzlich täglich 20 Medienvertreter, zehn Kamerateams und zehn Fotografen vor Ort – und am Telefon und per E-Mail gab es bis zu 80 weitere Interviewanfragen pro Tag. Die Konkurrenzsituation bei den Medien hatte sich dadurch über Nacht verschärft, der Druck wurde größer, Zeitdruck kam hinzu.

Darauf musst Du reagieren. Wir haben tägliche Medienrunden mit Spielern, Trainern und Verantwortlichen installiert, damit haben wir den Redaktionen Planungssicherheit für Ihre Berichterstattung gegeben. Und der FC Bayern wurde dadurch selbst zum Medien-Ereignis. Jeden Tag wurde über uns berichtet, jeden Tag konnte über den FC Bayern gesprochen, diskutiert und auch geschimpft werden. Niemanden hat dieser Klub kalt gelassen.

Karl-Heinz Rummenigge, Franz Beckenbauer und Markus Hörwick (vlnr) Foto: GettyImages / Alexander Hassenstein

Als Zeuge der Entwicklung des FC Bayern zu einem der weltweit größten Fußballclubs würden wir gerne mehr darüber hören, wie Sie diese Transformation aus nächster Nähe erlebt und mitgeformt haben.

Es war spannend, aufregend und mächtig anstrengend, dies alles mitzuerleben und selbst mitzugestalten. Uli Hoeneß´ Credo war immer: der FC Bayern muss jeden beschäftigen. Entweder man mag uns oder man mag uns nicht, das ist im Prinzip eigentlich egal. Es darf nur eines niemals geben: “Der FC Bayern ist mir wurscht.“ Wie oft habe ich den Satz selbst von Kollegen aus der Bundesliga gehört: “Ich mag Euch nicht, aber ich lese jeden Tag, was in München los ist. Und Eure Spiele schau ich mir auch an – denn die sind geil.”

Krisenmanagement ist ein unvermeidlicher Teil des Medien- und Kommunikationsbereichs, besonders bei einem Klub unter intensiver Beobachtung wie dem FC Bayern. Könnten Sie eine spezifische Krise hervorheben, die Sie gemanagt haben, und erläutern, wie Sie strategisch vorgegangen sind, um die Situation zu beruhigen?

Eine Krise musst Du immer in der Zeit vorbereiten, wenn es Dir gut geht: Kontakte knüpfen, Vertrauen aufbauen, auf Menschen zugehen, Sympathiepunkte einsammeln – alles auf Vorrat. Und wenn die Krise dann da ist: cool bleiben und auf all das zurückgreifen, was ich gerade beschrieben habe.

So haben wir viele Situationen wie private Verfehlungen und Schicksalsschläge, öffentliche Streits, ein angezündetes Haus oder Entlassungen gemeistert.


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Ihre Zusammenarbeit mit legendären Trainern und Spielern muss reich an Geschichten sein. Gibt es ein Ereignis oder eine Begegnung, die besonders prägend für Ihre Karriere war oder Ihnen persönlich am Herzen liegt?

Es waren so viele außergewöhnliche Persönlichkeiten, Trainer wie Spieler, und mit den erlebten Geschichten könnte man ein Buch füllen. Was die Menschen aber bis heute unvermindert in ihren Bann zieht, sind ganze dreieinhalb Minuten im März 1998. Dreieinhalb Minuten, 210 Sekunden, die man heute – 25 Jahre später –noch immer fasziniert anschaut: die Wutrede von Giovanni Trapattoni. Ein Gentleman-Trainer, der derart aus der Haut fährt, der in dieser Mini-Pressekonferenz Wortschöpfungen „erfunden“ hat, die in den gesamten deutschen Sprachgebrauch übernommen wurden: „Sie waren schwach wie eine Flasche leer“, „Was erlauben Struuuunz“ und „Ich habe fertig!“ Kein Mensch hätte damals geahnt, was das für Dimensionen hat.

Abschließend: Als erfahrener Medienexperte und Berater im heutigen schnelllebigen Medienumfeld, welche Zukunftsvisionen haben Sie für die Medienarbeit im Sport? Welche Trends sollten nach Ihrer Meinung Organisationen besonders beachten?

Ich denke, bei allen unglaublichen Möglichkeiten, die uns die Technik heute gibt, sollten wir aufpassen, dass wir eines nicht verlieren: die Menschlichkeit. Hinter jedem Post, hinter jeder KI, hinter jeder noch so reißerischen Schlagzeile stehen Menschen: die, die es produzieren, und die, die es konsumieren sollen. Wir haben in Deutschland ein ganz, ganz hohes Gut: die Pressefreiheit. Aber wer Freiheiten hat, muss auch verantwortungsvoll damit umgehen.


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